Multifunktionale Altgrasstreifen - klingt komisch, ist aber super

25.06.2024

Was ist ein Altgrasstreifen überhaupt und wofür ist er gut?

Mit dem erstmal wenig attraktiv klingenden Begriff „Altgrasstreifen“ bezeichnen Fachleute Teile einer Wiese, die aus Naturschutzgründen bei einer oder mehreren Schnitten nicht mit gemäht werden. Ein Stück Wiese – das nicht einmal streifenförmig sein muss, es aber häufig aus praktischen Gründen ist - wird also „stehengelassen“, entweder bis zum nächsten Schnitt oder sogar über den Winter. Altgrasstreifen können auf einer landwirtschaftlich genutzten Wiese, aber auch auf öffentlichen Grünflächen, z.B. in einem Park, auf einer Streuobstwiese oder im eigenen Garten angelegt werden.

In diesen Streifen stehen die Pflanzen, bis sie fertig ausgesamt haben. Für die wenigen Wiesenarten, die nur ein bis zwei Jahre lang leben und nur durch Aussamung auf den Flächen bestehen können, ist das besonders wichtig. Ansonsten verschwinden sie allmäh(d)lich aus der Wiese. Ein Beispiel hierfür ist der Klappertopf. Früher waren Altgrasstreifen einfach die wenig gemähten Säume in der Landschaft – zum Beispiel an Böschungen. Durch falsche Pflege, vor allem (zu häufige) Mulchmahd, oder dem Wegfall jeglicher Pflege und daraus resultierendes Zuwachsen mit Brombeeren und Gehölzen sind artenreiche Säume heute weitgehend verschwunden. Durch die Anlage von Altgrasstreifen kann ein Teil der Funktionen der Säume erhalten oder wiederhergestellt werden.

Altgrasstreifen sind wichtige Rückzugsorte und Futterplätze für Vögel und Insekten. Die Larven verschiedener Insekten benötigen Pflanzenarten als Raupennahrung, in geeigneter Umgebung (Mikrostruktur) und im passenden Mikroklima. Kommt während der Larvenentwicklung der Mäher oder – noch fataler – der Mulcher, stirbt ein Großteil der Schmetterlingsraupen und andere Insektenlarven wie auch viele fertig entwickelte Insekten in einer Wiese. In Altgrasstreifen können sie idealerweise ihre Entwicklung vollenden und auch die „erwachsenen“ Insekten wie zum Beispiel Heuschrecken haben hier einen Rückzugsraum.

Wenn der Streifen auch im Winter stehen bleibt, können sich Insekten in den Stängeln der Pflanzen einnisten und dort geschützt überwintern. Bleibt ein Streifen im Frühling und Sommer stehen, bietet er durch seinen Blütenreichtum vielen Schmetterlingen, Bienen und Käfern und anderen Insekten Nahrung.

Der Reichtum an Insekten und die Möglichkeit der Pflanzen, ihre Samen ausreifen zu lassen, sind wiederum gut für Vögel. Sie finden hier Futter und im Frühjahr können sie die alten, abgestorbenen Pflanzenstängel gut für den Bau ihrer Nester gebrauchen.

Für Säugetiere wie Feldhasen liegt der Vorteil eines Altgrasstreifens in der guten Deckung und dem guten Futterangebot. Wenn sie durch hohe Wiesen laufen, sind sie vor ihren Fressfeinden besser verborgen, als wenn sie sich auf einer frisch gemähten Fläche mit sehr niedriger Vegetation aufhalten müssen.

 

Wie funktioniert die Anlage und Pflege von Altgrasstreifen auf einer großen Fläche?

Die Altgrasstreifen auf einer Wiese sollten bestmöglich 5 – 10 % der Fläche einnehmen. Das kann je nach Größe der Fläche nur ein Streifen sein, bei größeren Wiesen idealerweise mehrere mit einem Abstand zueinander von maximal 30 m. Die Größe von Altgrasstreifen ist variabel; eine Breite von 3-5 m ist bereits gut; je breiter sie sind, desto mehr und größeren Tieren bieten sie Schutz und Lebensraum.

Da sich bei mehrjähriger Brache (Aussetzen der Mahd) die Pflanzenartenzusammensetzung verändern würde, sollten Altgrasstreifen jährlich versetzt werden und erst nach 4-6 Jahren wieder an die gleiche Stelle kommen.

Bei der Wahl der Position für den Altgrasstreifen sollte auch auf die vorhandenen Arten geschaut werden. Schlecht geeignet sind Bereiche einer Wiese mit nur wenig Artvorkommen oder vielen Neophyten und anderen Problempflanzen. Dann könnte ein Altgrasstreifen sogar schaden.

Auch eine Positionierung am Rand der Fläche zu Waldstücken und Böschungen sollte vermieden werden, wenn dort im Saum ausbreitungsfreudige Arten wie Brombeeren vorkommen.

Ein im vorigen Jahr stehengelassener Altgrasstreifen sollte zwischen Mitte Juni und Mitte Juli mit der ersten regulären Wiesenmahd mit gemäht werden, nachdem ein neuer Altgrasstreifen ausgepflockt angelegt worden ist.

Wichtig ist, dass auf den Flächen kein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder intensive Düngung erfolgt, da sonst der Nutzen für die Artenvielfalt stark geschmälert wird.

 

Wie kann das zuhause umgesetzt werden?

Im eigenen Garten kann natürlich nicht ohne Weiteres nach dem gleiche Prinzip verfahren werden wie auf einer großen, landwirtschaftlich genutzten Wiesenfläche, vor allem, was die Größe des Altgrasstreifens angeht. Stattdessen kann der experimentierfreudige Gartenbesitzer einfach einen Teil des Rasens als Wildwiese ausweisen und nur einmal jährlich mähen – oder sogar über den Winter stehen lassen. Ein ausgewachsener Rasen wird selbstverständlich nicht von heute auf morgen zu einer artenreichen Wiese. Wer nachhelfen möchte, kann mit Saatgut von heimischen Arten (im Fachhandel erhältlich) und der richtigen Bodenvorbereitung einen Teil des Rasens recht rasch in eine Wiese umwandeln. Oder es wird einfach abgewartet, was von selbst anfliegt, keimt und wächst. Der Rasen darf allerdings nicht allzu gut gepflegt sein oder es muss vorher die Grasnarbe aufgerissen werden, denn in dichtem, nur aus Gräsern bestehendem „englischem“ Rasen wird es länger dauern, bis heimische Kräuter Fuß fassen. Die über den Winter stehengelassene Wiese sollte im Frühjahr gemäht werden, wenn die Insekten, die in den Stängeln überwintern, diese verlassen haben, die Wiese aber noch nicht wieder voll im Wachstum ist. Zur Mahd benötigt man in jedem Fall andere Gerätschaften als den Rasenmäher. Ob Grasschere, Sense oder Akku-Freischneider, der einmalige Mahdeinsatz lohnt sich, für all die Naturbeobachtungen, die man in der Wiese im eigenen Garten das Jahr über machen kann.

 

Das TRUZ lässt seit einigen Jahren auf seinem eigenen Gelände um das Sundgauhaus, aber auch auf artenreichen Wiesen im Mattfeld in Weil am Rhein Altgrasstreifen bei der ersten Mahd stehen und berät auch gerne bei der Anlage und Pflege von eigenen Altgrasstreifen, ob im eigenen Garten oder auf der Obstwiese.


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